Kaum setzen wir einen Fuß in die Großstadt, landen wir auch schon im Gefängnis... aber lasst mich von Anfang an erzählen!



Am Dienstag verabschiedeten wir uns von den Wests und den Farmtieren und luden unsere Rucksäcke auf den Truck. Peter nahm uns mit nach Halifax, da er dort sowieso einige Besorgungen zu erledigen hatte. In Halifax fanden wir ziemlich schnell einen Bus, der Richtung Flughafen fuhr. Am Flughafen hatten wir noch sehr viel Zeit, aber das war auch gut so, denn Air Canada, die Airline mit der wir gebucht hatten, hatte schon mehrmals die Abflugzeit unseres Fluges geändert. Schließlich hoben wir am frühen Nachmittag mit dem Ziel Ottawa ab. Den Osten Kanadas haben wir ausführlich erkundet, nun werden wir uns Stück für Stück nach Westen bewegen.

Der Flug mit der winzigen Maschine war sehr angenehm (wenn man nicht mit der billigsten Billig-Airline bucht bekommt man sogar solche Dinge wie Getränke, Snacks und ein Unterhaltungssystem mit dazu, ungeahnter Luxus für uns) und wir erreichten am frühen Abend die Hauptstadt Kanadas. Vom Flughafen ging es mit dem nächsten Bus in die Innenstadt und dort stellten wir fest, dass das "HI Ottawa Jail Hostel" hält was es verspricht: Es ist tatsächlich das ehemalige Gefängnis der Stadt.

Nachdem wir uns häuslich eingerichtet hatten (so weit das in einem Gefängnis möglich ist), verbrachten wir den Abend damit unsere Zeit in Ottawa zu planen. Es gibt hier nämlich sehr viel zu sehen.



Den Mittwochmorgen begannen wir mit einer Führung durch das Gefängnis/Hostel. Das Gefängnis bestand bis 1972, als es wegen der menschenunwürdigen Bedingungen, die dort herrschten, geschlossen werden musste. Nur 6 Monate später wurde das Gebäude als Jugendherberge neu eröffnet.

Zu Gründungszeiten des Gefängnisses wurde zunächst geheim gehalten, dass es sich bei dem Gebäude um ein Gefängnis handelt und verurteilte Kriminelle wurden mit verbundenen Augen unterirdisch hinein geführt. Insbesondere weil viele Kriminelle mehr als einmal im Gefängnis landeten, blieb es allerdings nicht lange geheim. Problematisch war am Gefängnis zum Beispiel die ständige Überfüllung, da man damals sehr schnell hinter Gittern landen konnte. Frauen konnten unter anderem von ihren Ehemännern angezeigt werden, wenn sie die Wohnung nicht sauber genug hielten. Hygiene wurde dort leider nicht eingehalten. Frauen stand eigentlich eine Dusche pro Woche, Männern einmal pro Monat zu, aber das sahen die Gefängniswärter anders. Die Fenster waren damals nicht verglast, sondern lediglich vergittert, so waren die Gefangenen den Elementen ungeschützt ausgeliefert. Im Sommer bis zu 40°C, im Winter bis zu -40°C. Dies gepaart mit der schlechten Hygiene führte zu vielen Krankheiten unter den Gefangenen, dass es bald ein eigens für die Kranken eingerichtetes Stockwerk gab. Das selbe Stockwerk wurde für die 3-monatige Quarantäne von Immigranten verwendet. Komischerweise überlebten nur sehr wenige der Immigranten ihre Quarantäne...

Was den Stein zur Schließung des Gefängnisses endgültig ins Rollen brachte, war die schlechte Dokumentation. Die Akte einer Frau, die eigentlich nur für 3 Wochen verurteilt worden war, ging irgendwie verloren und die Wärter hörten nicht auf ihre Beteuerungen, dass sie längst wieder entlassen werden müsste. So verbrachte sie fälschlicherweise über 3 Monate dort und verklagte anschließend alle Beteiligten.



Nach der Gefängnis-Tour machten wir uns auf, die Stadt zu erkunden. Ottawa gefällt uns unheimlich gut. Die Stadt sprudelt über vor Sehenswürdigkeiten und schönen Orten. Wir spazierten durch die Sparks Street, die Hauptfußgängerzone, vorbei an den Parlamentsgebäuden am Parliament Hill und hinunter zum Ottawa River und dann am Rideau-Canal an den Schleusen wieder hinauf zur Stadt. Der Rideau-Canal wurde damals aus strategischen Gründen (um einen Wasserweg nicht direkt an der Grenze zu den USA zu haben) hauptsächlich durch irische Gastarbeiter gebuddelt. Der Architekt, John By, konnte den Kanal, der insgesamt eine Länge von 202 km Wasserstraße bildet, 1832 für umgerechnet 10 Mio. Dollar fertigstellen und wurde damals dafür verklagt, sein Budget komplett überzogen zu haben. Die Renovierung der Front des National Arts Centre im Jahr 2017 hat übrigens ebenfalls 10 Mio. Dollar gekostet. Prioritäten... Jedenfalls sind die Schleusen weiterhin funktionstüchtig und so schön, dass das gesamte Gebiet heute zum UNESCO Weltkulturerbe gehört.



Am Donnerstag schlossen wir uns wieder einmal einer kostenlosen Stadtführung an. Wir erfuhren unter anderem einiges über die Umstände, die dazu führten, dass Ottawa die Hauptstadt Kanadas wurde. Damals wie heute waren eigentlich Toronto und Montreal die weitaus größeren und viel mehr in den Handel eingebundenen Städte und man könnte meinen, dass die Wahl im Endeffekt ein Kompromiss war (wie zum Beispiel mit Canberra in Australien). Auch ein Kompromiss hinsichtlich der Lage direkt an der Grenze zwischen Ontario und Quebec, also dem englischsprachigen und französischsprachigen Teil Kanadas, wäre denkbar. Der eigentliche Grund für die Wahl Ottawas war aber rein strategisch: Ottawa ist eine der wenigen größeren Städte, die an einer Wasserstraße liegt, aber nicht direkt an der Grenze zu den USA. Vor der Wahl zur Hauptstadt Kanadas, musste Ottawa aber zunächst einen massiven Imagewechsel durchmachen. Eigentlich war Ottawa, damals noch Bytown, ein ziemlich versiffter Ort, in den die Holzfäller nach monatelanger Arbeit im Niemandsland kamen, um ihren Jahreslohn auszugeben. Im Zuge des Imagewechsels erfolgte dann auch die Namensänderung zu "Ottawa", dem indianischen Namen.

Die Tour führten uns an viele schöne Plätze, zum Beispiel zu einem Aussichtspunkt über den Ottawa River, vorbei an der National-Galerie (die übrigens ein 1,8 Mio. teueres Gemälde eine Weile falsch herum aufgehängt hatte... war so eins von diesen, die nur aus drei farbigen Streifen bestehen. Wer weiß schon so genau wie rum die gehören...).



Donnerstagabends haben einige Museen freien Eintritt und wir entschieden uns nach einer Empfehlung für das Kriegsmuseum. Die Ausstellungen waren sehr anschaulich mit vielen Nachbauten und Originalen (zum Beispiel ein Auto von Hitler gehört zu den Exponaten). Insbesondere die Erläuterungen und Darstellungen zu den Gasmasken und Gasangriffen im ersten Weltkrieg machten klar, dass man nicht ansatzweise begreifen kann, was die Soldaten dort durchmachen mussten. Der Ton bzw. die Stimmung war, wie wir es in Museen anderer Siegermächte schon erlebt hatten, für die Thematik ungewohnt positiv bis hin zu stolz. In der Galerie des Museums wurde eine neue Ausstellung zum Thema Rüstung unter anderem von Ironman und einem mittelalterlichen Ritter eröffnet.



Nach zwei bewölkten bis regnerischen Tagen war es am Freitag bereits morgens früh Sommerwetter, als wir uns in die lange Schlange stellten für Tickets zur Führung durch das Parlament. Die kostenlose Führung wurde uns von mehreren Leuten empfohlen, direkt mit dem Hinweis, dass man schnell sein muss, um an Tickets zu kommen. Wir ergatterten Plätze für den frühen Nachmittag, genug Zeit also, um noch einmal durch die Stadt zu schlendern und die ganzen schönen Orte nochmal bei gutem Wetter zu bewundern.

Die Parlamentsführung lohnt sich wirklich, aber man braucht Geduld. Man wird vor dem Gebäude abgeholt und dann einmal außerhalb und einmal innerhalb durch Sicherheitschecks geschleust, was einige Zeit in Anspruch nimmt. Im Gebäude laufen sehr viele Führungen gleichzeitig, so dass man, obwohl man zu den einzelnen Räumen Erklärungen bekam, das Gefühl hatte im Dauerlauf durch das Gebäude gescheucht zu werden. Schließlich kam alles wieder zum Stillstand vor dem Aufzug zum Peace Tower, die nächste Schlange. Insgesamt hat sich der Ausflug ins Parlament schon gelohnt, das Gebäude ist toll (vor allem die noch erhaltene Bibliothek) und man hat einen Einblick bekommen wie die kanadische Regierung funktioniert und welche Rolle zum Beispiel die Königin spielt, aber man muss sich vorher klar machen wie viele Leute am Tag das Parlament sehen wollen.



Im Hostel machten wir zwei neue Bekanntschaften: Patrizia, eine deutsche Studentin, die den verrückten Plan hat, Kanada mit dem Fahrrad zu durchqueren (wir wünschen ihr viel Glück, aber vor allem, dass ihr nichts passiert!) und die Londonerin Sarah, die sich uns für den Abend anschloss. In Ottawa sind ständig irgendwelche Veranstaltung und wir machten uns auf zur GlowFair, einem Straßenfest mit unzähligen Neonfarben und Knicklichtern in der Bank Street. Da sind wir in einer verrückten Welt gelandet mit Straßenkünstlern, Akrobaten, Zauberern, Feuerjongleuren, Neon-Yoga, Engeln und Einhörnern. Ein seltsamer und schöner Abend.



Am Samstag mussten wir schon wieder unsere Sachen packen und auschecken (wegen guter Führung vorzeitig entlassen...), aber da unser Bus erst in der Nacht losfahren sollte, hatten wir noch den ganzen Tag zur Verfügung. Wir spazierten zusammen mit Sarah in der Sommerhitze zu den Rideau-Wasserfällen und schauten uns noch ein paar Ecken an, die wir noch nicht gesehen hatten.

Den Abend verbrachten wir mit Sarah und einem japanisch-malaysischen Kanadier, den sie im Bus kennen gelernt hatte, wie es sich bewährt hat in einem Board-Game-Café. Dort verflog die Zeit und plötzlich saßen wir im Greyhound-Bus Richtung Toronto.



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You're probably wondering how we ended up in prison. Well, buckle up, because this is one of those annoying in-medias-res beginnings that will explain nothing. So let's begin a couple of days earlier...


[picture 1 and 2]


It was time to say good-bye to the West family on Tuesday, so Peter put our backpacks and us in the truck and drove us all the way back to Halifax, where we took a plane towards Canada's capital: Ottawa.


[picture 3 and 4]


Here, Lisa had booked our stay at the infamous Ottawa Jail Hostel... and yes, it's exactly what you're thinking. The official former state and federal prison, a couple hundred years old and site of many an atrocious act commited, then sold and renovated to become a stay for a different type of criminal: lazy backpackers. The staff offers a free tour through the cells and common rooms so we learned quite a bit about our lodgings. For example: there have been 3 official hangings over the years and at least 7 unofficial ones. Plus a few hundred cases of manslaughter and death due to untreated sicknesses and health violations which was only uncovered after finding dozens of buried bodies in a ditch close by. Neat! The history of the building is also the reason for the low number of bathrooms (our floor offered 1 shower/toilet to 32 backpackers). The prison was constantly packed due to petty crimes such as "My wife didn't clean the house well enough" (not a joke) and eventually people found out about the horrifying conditions here when the guards lost a woman's case file. She was supposed to be incarcerated for 3 weeks and after a month pleaded to be let free, but guess what? Everyone in there said they were supposed to get out so no one believed her and she stayed for a total of 3 months. When they finally let her out she sued the place and you know the rest of that story.


[picture 5 and 6]


After all these delightful stories we explored the city on our own for a bit and ventured down the main pedestrian street downtown called Sparks Street after Nicholas Sparks (again, no joke). We also saw the Rideau Canal, which is an artificial connection of hundreds of lakes and rivers so as to prevent the US from touching Canada's main supply line in case of a war.


[picture 7 and 8]


The day after, we did one of our beloved free tours through the city and learned about why Ottawa became Canada's capital despite four other nearby cities being bigger and more important. A minor reason was that it's right between the French and the English parts (Quebec and Ontario) and thereby connects both worlds. However, the main reason were the US Americans again. These warmongers posed such a threat that the capital had to be a city that is somewhat located behind the border but still at a main river, so Ottawa it is.


[picture 9, 10 and 11]


On Thursday evenings, most local museums are free to visit, so we decided for the Museum of War. Like other Canadian museums, they used many interactive ways to explain instead of just writing down facts. They had lots of original uniforms, weapons, letters and even Hitler's car! Also, there was a special exhibition about armour over the centuries with an appearance of Iron Man!


[picture 12 and 13]


The weather improved by Friday morning so we decided to grab tickets for the Parliament guided tour. While those tickets are free, you can only get them on the day of the tour itself. The ticket counter opens at 9 am and usually all the tickets are gone by 9:20 am. So we were quite glad to have gotten a spot shortly after lunch. The guided tour was alright but not necessary, especially since moving in such a big group results in long waiting lines (to get the tickets, to have your bag searched, to have yourself searched, to get into the lift to the observation tower). Also we didn't see Prime Minister Trudeau. What the heck? Is he working at all?


[picture 14 and 15]


Btw, back at the hostel we made two new friends:


  1. Patrizia, a German student who intends to cross Canada on a bike. Good luck with that, girl!
  2. Sarah from London, who joined us in the evening for a stroll through the streets of the "Glow" festival, where we saw lots of fires and lights in the night


[picture 16]


Saturday was our last day, so we packed and checked out, but sneakily stashed our backpacks somewhere and had Sarah let us in the backdoor of the hostel so we could still use their facilities to cook, for example. Sarah also showed us some hidden waterfalls in Ottawa and joined us in the evening at a local board game café before sending us off to the Greyhound bus terminal.


[picture 17 and 18]