Saskatoon ist für Fußgänger gar nicht so einfach zu bereisen. Obwohl unser Greyhound am Montag erst kurz nach 8 Uhr fahren sollte, mussten wir schon morgens um 5 aus dem Bett hüpfen, um rechtzeitig am "Husky Travel Centre" anzukommen. Mit der Hilfe mehrerer netter Passanten und Busfahrer schafften wir es aber irgendwann durch Saskatoons Nahverkehrsgewirr und konnten in den richtigen Bus steigen.


Die Fahrt nach Lanigan dauerte nicht lange (definitiv unsere kürzeste Greyhound-Fahrt in Kanada) und dort wartete auch schon Louis auf uns, um uns mitzunehmen. Von Lanigan war es noch eine gute Stunde bis Lake Lenore, dem Örtchen, in dessen Nähe die Farm liegt. Auf dem Weg erledigten wir noch einige Besorgungen in Humboldt, der nächsten größeren Stadt. Von Humboldt hat vielleicht der eine oder andere Anfang April traurige Nachrichten gehört. Die Humboldt Broncos, das örtliche Hockey-Team, ist dieses Jahr auf dem Weg zu einem Halbfinale mit dem Bus verunglückt. In Humboldt sieht man immer noch viele Schilder, die daran erinnern und die Menschen tragen oft kleine Anstecker mit den Teamfarben und der Aufschrift "Humboldt Strong".


Aufgenommen in Lake Lenore haben uns Louis und Eleanore, die trotz ihrer über 75 Jahre eine riesige Farm alleine bewirtschaften. Ihr Sohn Aaron lebt zwar mit seiner Familie nur eine Farm weiter, aber die beiden kommen (unterstützt von Leuten wie uns) auch so gut zurecht. Auf der Farm haben sie circa 20 Schweine, 60 Hühner, eine Hündin Chloé und ein paar Katzen und auf gepachtetem Land auf der anderen Seite des Sees noch etwa 30 Kühe. Ihr Geld verdienen sie aber hauptsächlich mit Getreide und Gemüse. Das Herzstück der Farm sind mehrere riesige Gemüse-, Obst- und Beerengärten, auf denen alles mögliche angebaut wird. Um die Farm herum haben die Gerwings riesige Felder mit Weizen, Gerste, Hafer und Unmengen Raps.

Damit haben wir wohl eine relativ typische Farm für Saskatchewan erwischt. Hier scheint alles nur aus unendlichen Feldern und ab und an ein paar Rinderweiden zu bestehen. Hier draußen gibt es zwar noch ein paar asphaltierte Straßen, aber die meisten sind nur Schotterstraßen ohne Namen. Adressen haben die einzelnen Farmen nicht, ihre Post müssen die Gerwings in Lake Lenore abholen.



Nachdem wir unser Zimmer bezogen und die Farm ein wenig erkundet hatten, ging es los mit den ersten Arbeitsaufgaben. Mit den Tieren hatten wir auf dieser Farm nicht so viel zu tun, hier waren wir hauptsächlich mit allem rund ums Gemüse beschäftigt. Als erstes waren die Erbsen dran und ich muss sagen, nachdem man mal ein paar Kilo Erbsen gepflückt und geschält hat, sehe ich so eine Packung Tiefkühlerbsen mit ganz anderen Augen... Obwohl es schon irgendwie gemütlich war, als wir abends alle gemeinsam um die Beute saßen und zusammen Erbsen geschält haben.



Am Dienstag ging es erstmal mit den Erbsen weiter, aber zu zweit hatten wir dann doch relativ bald die lange Reihe abgeerntet. Alles was noch weiter reifen sollte durfte dann im Laufe der Woche die Schwiegertochter für ihre Familie abernten.

Danach zeigte uns Ellie den Erdkeller, in dem sie das ganze Wurzelgemüse über den Winter lagern. Mittlerweile war das meiste der Ernte vom letzten Jahr einfach nicht mehr gut (war ja auch schon mitten im Sommer) und so schleppten wir Sack für Sack alte Kartoffeln, Karotten und rote Beete aus dem Keller und zu den Schweinen. Die haben sich natürlich riesig gefreut!

Abends begannen wir mit der Mammutaufgabe Himbeeren zu pflücken. Es gab zwei ewig lange Reihen Himbeersträucher und obwohl der Sohn mit seiner Familie auch ständig zum Pflücken vorbeikam, wurde es einfach nicht weniger.

Schön bei der Obst- und Gemüseernte ist natürlich das Naschen, frische Erbsen sind super lecker, aber frische Himbeeren umso mehr...



Nachdem wir am Mittwoch mal wieder ein paar Eimer Himbeeren gepflückt hatten, ging es so langsam los mit den Vorbereitungen für den Markt. Wir fingen an mit den Kartoffeln, die ausgebuddelt und gewaschen werden mussten. Außerdem kamen wir um die unbeliebteste Gartenarbeit auch nicht herum, das Unkrautjäten... wenn man allerdings an der richtigen Stelle jätet, unter den Himbeeren zum Beispiel, kann man zum Glück weiter naschen.



Abends nahm uns Louis mit zum Kühe füttern und zeigte uns auf dem Rückweg noch ein bisschen die Umgebung um den Lenore Lake. Diese endlosen Felder und Schotterstraßen sind schon der Wahnsinn.



Donnerstag und Freitag waren wir weiter mit Marktvorbereitungen beschäftigt. Wir ernteten Bohnen, Kohlrabi, Karotten, Gurken und rote Beete, putzten das ganze Gemüse und wogen und verpackten alles in kleine Tüten.

An einem Abend machten wir einen Quadausflug zum größten Hügel der Gegend. "Hügel" war zwar noch zu viel gesagt, aber da wirklich alles so flach ist hatten wir trotzdem eine tolle Aussicht auf den See und die Umgebung. Man muss sich allerdings sehr gut merken, wo man ist. Alles sieht gleich aus und die Schotterstraßen haben keinerlei Schilder oder andere Bezeichnungen. Wir haben glücklicherweise wieder zurück gefunden.



Das Wochenende hatten wir eigentlich frei, aber Lisa entschied sich Ellie am Samstag zum Bauernmarkt in Humboldt zu begleiten. Es ist wirklich ein winziger Markt mit zwei Gemüseständen und einem Bäckereistand, trotzdem kamen sehr viele Leute zum Einkaufen vorbei und am Ende hatten wir gerade mal zwei Tüten mit Bohnen und ein paar Kohlrabi übrig. Ein voller Erfolg!

Abends konnten wir uns ein Auto ausleihen und sind nochmal ein bisschen durch Humboldt gedüst. Außerdem musste nach dem ganzen gesunden Gemüse unbedingt mal wieder ein Schokoriegel sein! ;-)

Und den Sonntag haben wir dann einfach mal verfaulzent. Generell muss man sagen, dass wir hier eine schöne Pause gehabt haben. Nach den zwei anderen Farmen fiel uns die Arbeit wirklich sehr leicht, die Hitzewelle war vorbei und wir hatten sehr angenehme Temperaturen und da hier nicht die kleinste Touristenattraktion in der Nähe war, nutzten wir freie Zeiten tatsächlich mal zum Entspannen. Eine richtige Verschnaufpause. Ach so, das wichtigste habe ich vergessen: Keine Moskitos! (Oder zumindest Moskitos in normalem Maße...) Was für eine Wohltat!



Die Kanadier haben dafür gesorgt, dass es im Sommer in regelmäßigen Abständen ein langes Wochenende gibt (irgendwie müssen sie ja für den langen Winter vorsorgen). Den Victoria Day im Mai und den Canada Day im Juli hatten wir ja schon miterlebt, im August gibt es dann den Civic Day (Bürger-Tag), der in jeder Provinz anders heißt, hier also Saskatchewan-Day.

Wegen des langen Wochenendes wurde der Markt auf den Donnerstag davor vorverlegt, also begannen wir am Montag schon mit den Vorbereitungen.

Wir haben so viel Gemüse geerntet, diesmal zusätzlich noch viele Zucchini, Kohl, Zwiebeln und Knoblauch. Einfach verrückt was für einen riesigen Garten die Gerwings haben. An manchen Tagen kamen dann noch Einzelbestellungen von Leuten dazu, die so auf der Farm vorbeikamen.

Zwischendurch hatten wir noch ein paar Instandhaltungsaufgaben. Arne hat zum Beispiel einen der gefühlt 20 Kühlschränke gesäubert und für die Apfelernte vorbereitet und wir haben zusammen mit ein paar der Enkelkinder die heruntergefallenen Äste zwischen den Alleen weggesammelt, damit dort gemäht werden konnte. Mit dem Quad als Hilfsmittel gehen solche Projekte sehr leicht von der Hand. Das schlägt einfach jede Schubkarre.



Am Donnerstag haben wir dann zu dritt den Marktstand betreut, was auch gut war, denn wir hatten diesmal noch deutlich mehr zu verkaufen als am Samstag zuvor. Alles konnten wir zwar nicht loswerden, aber das gute bei einem Gemüsestand ist, dass die Reste einfach auf dem Teller landen.



Am Freitag mussten wir uns schon wieder auf die Abreise vorbereiten. Wir machten nochmal einen schönen Rundgang über das Farmgelände, verabschiedeten uns von den ganzen Tierchen und packten unsere Sachen.

Die Zeit war so schnell verflogen und mit der Ankunft auf dieser Farm hatten wir auch schon unsere Kanada-Halbzeit überschritten.



Bei unserer Art zu reisen ist man immer wieder gezwungen Kompromisse einzugehen, offen zu bleiben und sich an neue Situationen anzupassen. Das ist eine schöne Sache und man kann viele Dinge lernen, seine Komfortzone und seinen Horizont erweitern. Obwohl wir auf der Gerwing-Farm insgesamt eine tolle Zeit hatten, wurde hier unsere Toleranz und Offenheit für andere Ansichten ziemlich auf die Probe gestellt. Wir wurden schon von anderen Kanadiern vorgewarnt, dass Saskatchewan politisch eher rechts-konservativ angesiedelt ist und so haben wir es dann auch erlebt. Louis und Ellie sind nette Leute, die uns wirklich sehr gut behandelt haben, aber wir lagen was jedes vorstellbare weltpolitische Thema anging so meilenweit auseinander, dass beinahe jede Unterhaltung ein Eiertanz wurde. Es war schon interessant mal jemanden zu treffen, der Ansichten wie "Der Klimawandel ist eine reine Erfindung um Steuern zu erhöhen" und "Indianer sind allesamt Alkoholiker und Kriminelle" tatsächlich vertritt, aber es war schnell klar, dass jegliche Diskussion zu beginnen zwecklos ist. Wer hätte gedacht, dass wir mal zusammen in einem Haus mit Trump-Sympathisanten leben würden?



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Saskatoon is every city planner's nightmare. Not only are all the major supermarkets located outside of town, but public transport is getting downsized more and more. Despite our Greyhound leaving the bus terminal after 8am, we had to get up at 5 just to get there in time. Going by car would take about 15 minutes.


Getting to Lanigan didn't take very long, though. It's a small bundle of houses in the middle of nowhere. Thankfully, Louis was already waiting to pick us up. However, before visiting our new home we had to stop by various shops to buy groceries and drop off paperwork in Humboldt. That name became infamous earlier this year because of the Humboldt Broncos hockey team which got involved in a tragic traffic accident with 16 of the team members dead. The closer we got to Saskatchewan, the more Canadians put up signs and wore buttons with the inscription "Humboldt Strong".


The farm itself is hard to locate. Outside of Lake Lenore (the town. The lake is called "Lake Lenore Lake"), on an unnamed dirt road with exactly zero neighbours to any side, Louis and his wife Eleanore have been living here on this huge farm despite their 75+ years of age. One of their sons, Aaron, and his children live five minutes away by car and stop by almost daily to help out feeding the animals or harvesting the crops. But other than that they are on their own so they definitely need helpers like us. Their farm harbours 20 pigs, 60 chickens, the dog Chloé, a couple of cats that were never seen and several dozen cows on a rented pasture some kilometers down the road. Most of their income stems from crops, fruits and vegetables, though. On their property are three major growing zones with all kinds of produce on it. Surrounding the farm are vast fields with wheat, barley, oats and canola. Farms like these can be found everywhere in this province, with the skies stretching on forever and what little trees you can spot were planted artificially to block off the prairie winds.



The Gerwings offered us a choice of four rooms at their house, since all their children have moved out decades ago. So after moving in we were put to work in the fields right away. Contrary to our farm experiences so far, we didn't have to feed any animals here but instead focus on the gardens. Our first task involved peas. Harvesting and gathering them, just to later break open the shell to extract the actual peas. Doing this manually actually took us the entire day, but rumour has it that the big producers have machines to quicken these efforts.



Tuesday saw us returning to the peas, but we eventually managed to finish the entire row and move on to our next job: clearing out the old storage basement. There are several buildings scattered across the Gerwing estate, with one of them holding a cellar with dozens of bags containing old roots, potatoes, carrots and other vegetables from last year that they didn't use up. By now those bags started rotting, so we took them all out and fed the contents to the pigs.

In the evening we ventured down to one of the raspberry rows to gather some for the market on Saturday. This was easy and enjoyable work especially since there's just so many berries that the odd berry vanishing into our mouths went entirely unnoticed.



The raspberry job is probably the one we had to repeat the most. Over the course of our two weeks we collected more than a dozen "pails" full of the little red berries.

However, there were also other things to prepare for the market. So on Wednesday we started digging up and washing potatoes. Afterwards we spent some time weeding below the raspberries so that they could grow some more. In the evening, Louis took us by truck to his cattle to feed them. Usually, he does this work alone, but recently on of the cows kicked him in the knee, so he is a bit wary now.



Similar preparations were done on Thursday and Friday. We harvested beans, kohlrabi, carrots, cucumbers and beets, then washed, weighed and bagged them. On one of the evening we also took a quad to the biggest hill around to look at Lake Lenore Lake, where the mosquitos reside. At this point I'd like to point out that the main reason why we enjoyed the work on this farm so much was the absence of bugs. Sure, the occasional fly would bother us but we didn't have to count our bites and stings every evening and coat them in Fenistil gel. Everything is so far apart out here that not even the bugs like to fly such great distances to find a victim.



The weekends are our days off, however Lisa decided to join Ellie on Saturday morning to go to the market in Humboldt. Before you get all excited: the market is tiny. A total of three stands offer mostly vegetables, jam and eggs, but also some baking products. However, it seems well-established locally. There's constantly people stopping by in their massive cars to buy a bag or two. Apparently Lisa is quite the sales woman, because they sold more produce than on any market day before and Ellie was more than happy about the additional income.



In the evening, we took one of the cars to drive back to Humboldt and go for some private shopping. Ellie is a wonderful cook and we never went hungry, but she's waging a war on sugar, so we had to get our own sweets to consume secretly in our room. So don't expect any exciting entries for Sunday because we did absolutely nothing!


Canada has a wicked compensation system for holidays: if a holiday falls on a weekend, they get the first day of the week off instead, so as to enjoy a "long weekend". There are three of those every summer and we already witnessed Victoria Day in May and Canada Day in July. Now it was time for Civic Day, which gets renamed individually in every province, so here we celebrated Saskatchewan Day. Because of this long weekend there was a special market day on Thursday, so we had to start preparations as early as Monday.

So off we went to harvesting again: beans, raspberries, potatoes, zucchini, cabbages, onions, carrots, garlic and cucumbers. And all of those needed cleaning, weighing and bagging, too. Additionally, there were some special jobs to be done. One day I had to clean out and scrub down an old fridge that was still working but had seen better days. Also the wind sometimes shakes down large tree branches so those have to be gathered and thrown in "The Hole" for later burning.



Come Market Day we went to Humboldt and sold all the gathered items. Whatever wasn't sold ended up as our food.



Friday was our last official day, so we did the usual: strolled around the farm, took pictures of all the animals and plants, and then went to do our laundry and pack our belongings.



To conclude our stay at this farm, we have to mention a rather unpleasant topic. During our travels we met a lot of different people with tons of different opinions and stories. That is, among others, a main reason why we do this trip in the first place.

However, that also implies meeting people with differing opinions, sometimes starkly contrasting everything we're used to. Canadian acquaintances out East warned us that Saskatchewan is something like the forgotten hinterlands of the country, with the inhabitants seldomly coming into contact with foreigners, global politics, modern technology and new ideas. Still, we were shocked and quite disgusted when even on our first day at this farm any given discussion (even as harmless topics as the weather or local birds) could turn within moments into how immigrants are destroying the country, that every Native American is a drunken, thieving murderer and how Trudeau deserves to be shot for making up climate change just to steal the honest farmer's money. We actually considered leaving the farm just then but decided to ignore all those comments instead. Our hosts were at all times kind and friendly to us personally, but all these hateful stories created a strong atmosphere of unease which made us quite glad to leave this place when we did.