Das Busterminal in Downtown Toronto kennen wir mittlerweile sehr gut. Wir waren dort in Toronto angekommen und von dort aus zu den Niagara-Fällen gefahren. Nun ging es Sonntagfrüh von dort aus mit einem der lokalen Ontario Northland Busse Richtung Norden. Das Regenwetter der vergangenen zwei Tage hatte angehalten und so fuhren wir durch strömenden Regen. Auf der Strecke gab es einige Haltestellen und der Bus wurde zwischendurch richtig voll, aber als wir nach ca. 4 Stunden unser Ziel erreichten, war schon fast niemand mehr im Bus. Wir stiegen aus in Port Sydney und wurden direkt von Rheanon, der Besitzerin der Farm, auf der wir die nächsten zwei Wochen verbringen wollten, abgeholt.

Wir fuhren erst einmal zu "Dean's Hardware Store", dem Baumarkt vor Ort, den wir in unserer Zeit hier noch einige Male besuchen sollten, um etwas Futter für die Tiere einzukaufen und dann zum Lebensmittelladen, um Futter für die Menschen einzukaufen. Von Port Sydney aus waren es nur wenige Minuten bis zur Farm "The Gnarled Stump".



Hier leben Rheanon, ihr Mann Travis und ihr dreijähriger Sohn Hector. Außerdem gibt es hier eine ganze Herde Kühe mit ihren Kälbern, 21 Schweine, 200 Stück Geflügel und Legehennen, die Hündin Baloo, zwei Ziegen, ein paar Katzen und zwei Bienenstöcke.

Travis ist seit einem Arbeitsunfall vor 3 Jahren querschnittsgelähmt, sitzt also im Rollstuhl. Rheanon war zum Zeitpunkt des Unfalls schon schwanger mit Hector. Sie mussten also gut überlegen wie ihr Leben weitergehen sollte. Da sie das Land schon besaßen, beschlossen sie, den Schritt zu wagen und die Farm zu ihrem Haupteinkommen zu machen. So kann die ganze Familie zusammen arbeiten und alles geht in ihrem Tempo. Obwohl sie viele der Arbeitsgeräte und Maschinen mittlerweile an Travis angepasst haben, sind sie weiterhin auf Hilfe von außen (so wie uns zum Beispiel) angewiesen.


Nachdem wir am Sonntag auf der Farm angekommen waren, zeigte uns die Familie erst mal das Gelände. Das Farmhaupthaus ist etwas ungewöhnlich, da natürlich alles rollstuhlgerecht angepasst wurde. Mit dem Geld der Versicherung mussten sie das ursprüngliche Farmhaus abbauen und haben ein komplett neues gebaut.

Außerdem gibt eine kleine Werkstatt, eine große rote Scheune, eine so genannte Zuckerhütte (im Frühjahr machen sie Ahornsirup) und Ställe bzw. Unterstände für die ganzen Tiere.



Dieses Jahr ist das erste Jahr, in dem sie auch Gemüse anbauen, deshalb haben sie einen neuen Gemüsegarten angelegt. Sie haben zwei größere Felder, auf denen sie Getreide als Tierfutter anbauen, aber in den drei Jahren haben sie bisher noch keine erfolgreiche Ernte gehabt, da es entweder viel zu regnerisch oder viel zu trocken war.

Dann machten wir uns auf zur Abendroutine. Die Ziegen und die noch kleinen Geflügel-Hühner haben direkt angrenzende Gehege und müssen natürlich gefüttert und gewässert werden. Außerdem brauchen die Hühner immer neues Stroh in ihrem Häuschen. Dann wandern wir weiter zur Scheune in der Baloo und ein 3-Monate altes männliches Kalb namens Ben sich ein Gehege teilen. Ben wurde von seiner Mutter nicht angenommen und wurde deshalb mit der Flasche aufgezogen. Die Hündin Baloo (die übrigens ein Viertel Wolf ist), hat schon einige Kälber großgezogen und ist ein sehr guter Kompanion für einsame Tierchen. Die beiden müssen natürlich auch gefüttert, gewässert und gestreichelt werden.



Dann ziehen wir weiter zu den Schweinen und versuchen sie zu füttern. Das ist gar nicht so einfach, weil man auf dem Weg zum Trog von der ganzen Herde umschwärmt und geschubst wird.

Außerdem bekommen die großen Kühe abends ein Dessert. Sie haben auf der Weide zwar genug zu fressen, aber sie bekommen zusätzlich etwas Zuckerrübenschnipsel mit Zuckerrübensirup. Zwei der Kühe werden extra gehalten, damit sie sich gut an die Menschen gewöhnen, da sie eventuell ab nächstem Jahr gemolken werden sollen.



Anschließend kommt der anstrengendste Teil, die großen Geflügel-Hühner. Sie werden in großen sogenannten Hühnertraktoren gehalten und die müssen morgens und abends ein Stück weitergezogen werden, damit sie wieder auf frischem Gras landen. Außerdem brauchen sie natürlich Futter und Wasser. Bei den Legehennen müssen die Eier eingesammelt und auch das Futter aufgefüllt werden.

Als letztes müssen zwei Schweine, die separat gehalten werden, versorgt werden. Pleeploop und Chunk haben beim Kastrieren Leistenbrüche bekommen (das passiert wohl ab und zu) und dann können sie nicht mehr in einer großen Gruppe gehalten werden, wo zu viel Konkurrenz herrscht. Die beiden haben Glück und bekommen ein bisschen Milch aus alten Milchpulver zusätzlich zum normalen Futter. Die eingesammelten Eier müssen gewaschen und zum Verkauf hingestellt werden. Und dann hat man es endlich geschafft.

Die gleiche Runde gibt es dann abends nochmal und alle paar Tage müssen die Legehennen und die großen Kühe eine Weide weitergebracht werden, dafür müssen neue Zäune aufgestellt werden. Auch die Schweine bekommen immer wieder neue Gehege. Das ist echt viel Arbeit die alltäglich erledigt werden muss und dazu kommen natürlich alle möglichen Projekte.



Den Anfang der Woche verbrachten wir vor allem damit, die verschiedenen Farmaufgaben zu meistern und uns mit den ganzen Tieren anzufreunden. Es gab allerdings auch Tiere, mit denen wir uns tiefste Feindschaft geschworen haben: die Stechviecher. Hier gibt es wie in Nova Scotia vor allem Black Flies (Kriebelmücken) und Moskitos und die haben uns ganz schön geärgert. Die Familie lieh uns Netze, damit wir die Viecher wenigstens aus dem Gesicht hatten, aber ein paar hundert Stiche haben wir in der Zeit trotzdem gesammelt.

Bei mehreren Besorgungen lernten wir die beiden "größten" Städte in der Nähe kennen, Bracebridge und Huntsville. Wir befinden uns in der Region Muskoka, die bekannt ist für ihre Seenlandschaft mit insgesamt 1.600 Seen. Hier gibt es unendlich viele Wochenendhäuser (Cottages) und im Sommer kommen zu den 60,000 Einwohnern der Region nochmal 100,000 Sommer- und Wochenendurlauber dazu, außerdem gibt es viele Resorts und Sommercamps. Die eigentlichen Einwohner der Region mögen die sogenannten "Cottager" (also Kanadier vor allem aus Toronto, die ihre Wochenendhäuser hier haben) nicht besonders, da sie als versnobt gelten. Dennoch wird natürlich viel Geld mit dem Tourismus verdient.


Am Donnerstag halfen wir dem Nachbarn von gegenüber seine Ladung Heuballen in der Scheune zu verstauen und lernten dabei eine Deutsche kennen, die auf einer anderen Farm in der Nähe ebenfalls aushalf. Nach getaner Arbeit führte uns der Nachbar durch seine Sammlung uralter, wunderschön restaurierter Fords und erzählte aus seinem Leben. Sein Vater hatte wohl eine Sammlung von über 40 Fords und es gibt sogar eine kurze Dokumentation über ihn.

Auch Rheanon und Travis wollten mit der Heuernte beginnen und fanden ein paar ungenutzen Weiden, die abgemäht werden durften.


Am Freitag begann eine ausgeprägte Hitzewelle. Es wurde viel zu heiß, um richtig zu arbeiten und unsere Hauptaufgabe wurde es, ständig für frisches Wasser bei den Tieren zu sorgen.

Nachmittags fuhr uns Travis nach Port Sydney an den Strand am Mary Lake. Zum ersten Mal war es warm genug, dass wir in Kanada schwimmen gehen konnten. In der Nähe gab es einen kleinen Lebensmittelladen, in dem wir Eiscreme kaufen konnten. Es war wunderbar.



Abends sprachen wir noch darüber, dass das Heu so schnell trocknete in der Hitze, dass wir es am nächsten Nachmittag wahrscheinlich schon zu Heuballen verarbeiten könnten und dann gab es ein heftiges Hitzegewitter mit Platzregen. Das Farmerleben ist sehr wetterabhängig und so musste das Heu erstmal verschoben werden.


Auch am Samstag war die Hauptaufgabe Überhitzung zu vermeiden und so lernten wir den Fawn Lake am Ende unserer Straße kennen.

Am Sonntag war Canada Day, der kanadische Nationalfeiertag. Am Canada Day muss man unbedingt Rot-Weiße-Kleidung tragen, Ahornsirup essen und sich eins der unzähligen Feuerwerke anschauen. Das haben wir tatsächlich geschafft. Rheanon und Travis sind mit uns nach Huntsville zum Feuerwerk über Hunters Bay gefahren. Als wir nach Hause kamen, hatten wir den schönsten Sternenhimmel zu bewundern und Arne entdeckte ein paar Glühwürmchen. Es war ein toller Abschluss für einen tollen Tag.



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It was Sunday morning when we made our way to the bus terminal in Toronto and took a coach north for about 4 hours. Our stop was called "Port Sydney", a minor town with about 800 inhabitants. The hosts at our new farm are the Medlands, including mother Rheanon, father Travis and three-year-old son Hector. Additionally, the farm houses several cows and calves, 21 pigs, more than 200 chickens, one dog, two goats, four cats and two bee hives. The great number of poultry and pigs is because the Medlands are running a small business here, called "The Gnarled Stump", offering local meat, eggs and maple syrup from environmentally friendly produce. Essentially what Germans call "Bio" and are willing to pay a load of money for.

About three years ago, when Hector was but a lump in Rheanon's belly, Travis had a major work accident which left him paralysed from the chest downward. They decided to use the insurance money to start a new life as farm owners here in Ontario. The farm house itself and most of the farm vehicles are of course specifically designed for Travis' needs so he may operate them with just his hands.

Also starting this year they have created a minor vegetable garden alongside their pre-existing fields where they are trying to grow animal feed - unsucessfully so far.

A typical day consists of us getting up at half past 6, getting dressed and doing the morning chores. The juvenile chickens and the goats are living right next to each other and need new feed and water, as well as fresh hay. Next up, the family dog Baloo and a young bull called Ben are living together. Ben's mother rejected him, so the Medlands nurtured him with a milk bottle and are now keeping him and Baloo together for company. Afterwards we make our way over to the pig pen. As soon as the beasts hear us preparing their feed, they come running. The longer we take, the more restless they get, working themselves into a frenzy, pushing each other into the electrical fences, biting at each others' tails. We prepare four buckets full of feed and have to carry it through "No Man's Land" (the area inside their fence that is riddled with random digging holes and muddy puddles) while the hoard is angrily snapping at our heels and the back of our knees, trying to trip us. If we fall here, they'll trample us in their greed... and probably eat us after. Having survived this ordeal, we go to feed the meat birds. These are the same breed as the juvenile chickens, just a bit older and therefore much heavier. They live outside and special cage houses with open bottoms so they can eat the grass and can be moved easily. This is what we do: we drag their houses about two meters further along to the next green patch on the meadow, then we give them food and water. The egg-laying hens (or "layers") do not have to be moved quite so often because they all have one big chicken coop with a huge fenced-in grass area surrounding it. So we just top up their feed/water and check for eggs. Lastly, we visit the two special pigs Pleep-Ploop and Chunk. They have been castrated and something went wrong, so now they can't be kept with the other pigs because they couldn't handle their aggression. They also get special milk powder along with their feed, so they should be quite happy. And that's it. Now, during the day we do various other jobs around the house which I'll explain in more detail later, but in the evening, the entire process is repeated once more plus in the evenings one has to feed all the cows with some special syrup mixture. The morning and evening chores usually take us about an hour each.



Now, there's another type of animal I haven't mentioned yet and we learned to hate it from day 1: the bugs. They are even more numerous here than at our first farm and we soon looked like plague victims. There are tiny black flies, mosquitos, horseflies and wasps. And each one of them bit me at some point. The Medlands were so kind as to provide us with bug nets that covered our faces, but these bloody creatures surely found a way in somehow.

During our first few days, we also visited the two major cities nearby: Huntsville and Bracebridge. Generally, the area of Muskoka is most famous for its many scenic lakes (more than 1,600) and its cottages, usually built or bought by rich people from Toronto.


On Thursday, we went to the neighbours and helped them bring in their hay, which they need for their two horses. During our work there we also met another German helper called Svea, which promptly invited us to hang out sometime. After the hay was stored, the owner proudly showed us his collection of oldtime cars which either he or his father restored. However, we couldn't stay too long because Travis and Rheanon needed their own hay to be brought in, which turned out to be quite an unlucky story:



It all began with them asking some friendly neighbours to mow down some of their unused pastures for hay. No problem, but since the mower has to be attached to the big tractor and the big tractor is not built for Travis to get in, Rheanon had to do it. And since she did it for the first time, she chose the wrong settings for the cutting, thereby essentially cutting the grass too short, preventing it from regrowing any time soon, which ultimately reduced the amount of hay we got by half. Next up the hay needed to be raked a couple of times over the course of several days to ensure it being dry. If it's wet and pressed into hayballs, the pressure and dampness will ignite the hay (chemistry, kids. It doesn't make sense) and burn down the barn. So we waited in the heat for several days and planned to do the baling on Saturday, because there was said to be rain on Sunday. Guess when it actually rained? Friday night. So we had to rake the now-wet hay again and wait some more days before anything could be done. Then, finally, in the middle of our second week at the "Gnarled Stump", we finally managed to bring in the hay, resulting in a total of about 45 bales instead of the planned-for 100.


During all this time, the weather was extremely hot, way above 30°C. We tried to do some weeding but couldn't stay out in the sun for longer than 15 minutes. The animals suffered, as well. So our main objective was to keep them cool by providing mud baths to the pigs, watering the plants and refilling everyone's water trays several times a day. Still, the heat wave took its toll. Four of the meat chickens died, unable to move their heavy bodies to the water troughs. Remember how just one month ago frost killed all of our tomato plants? And now heat is killing our animals. Error 404: spring not found.

After this incident I decided to put ice into the water of the meat birds twice a day and no chicken died anymore afterwards, so I take this as a victory.

We also spent some time at the lakes here and (believe it or not) we went swimming for the first time this year.


Sunday, of course, was Canada Day, a national holiday celebrated by all around here. Every Canadian has to wear some item of clothing bearing the maple leaf or at least featuring the colours red and white, there were pancakes for breakfast with maple syrup galore and naturally there's huge fireworks in the evening. For the latter, we went to Huntsville and observed it from the riverside while being eaten alive by mosquitos. Upon our return to the farm, we spotted some fireflies and enjoyed the starry night sky. Oh Canada!